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Rhein-Neckar-Zeitung November 2009
Serie „Im Kreis Zuhause“
Eva Heß Chocolaterie Dilsberg

Der Kachelofen wird angezündet, denn ein wenig kalt ist es schon an diesem Novembermorgen auf dem Dilsberg. Eva Heß kocht Kaffee, erwartet bald Kunden und ist noch am Telefonieren mit Ihrem französischen Lieferanten einer kleinen Schokoladenfabrik aus Val de Rhône in Südfrankreich, bei dem sie seit Jahren bestellt. Jedesmal, wenn er die grandiosen Cuvertüren und Schokoladenrohstoffe auf den Dilsberg liefert, muss er vor dem alten Stadttor parken und die Kisten zu ihr in die „Chocolaterie“ tragen. Ein wenig teuer ist er auch, sehr teuer sogar, aber das geht sie ein, denn Kompromisse will sie nicht machen. Ein wenig erinnert ihre Liebe zur Schokolade und die Umgebung auf dem Dilsberg, auf dem sie aufgewachsen und nach vielen beruflichen Stationen wieder zurückgekehrt ist, an den Film „Chocolate“. Aber dazu ist keine Zeit, weil sie, während sie nach allem schaut, davon erzählt, wie die „Chocolaterie“ im ehemaligen Gasthaus „Zur Burg“ entstanden ist und wo sie heute mit ihrer Familie lebt, ihr Unternehmen hat und arbeitet. Die Ausbildung als Konditorin machte sie im „Cafe Schafheutle“ in Heidelberg, verbrachte Wander- und Lehrjahre im In- und Ausland und war bei Harald Wohlfahrt, bevor sie sich 1995 als „Leihkonditorin“ selbständig machte. Bei großen Veranstaltungen und Festbanketts stellte Eva Heß wunderbare Dessertbuffets her, gab Seminare und Kurse, aber so erfolgreich diese Zeit auch war, so sehr suchte sie nach einem geeigneten Objekt, in dem sie ihren Traum von einem eigenen Unternehmen realisieren konnte. Sie ist auf dem Dilsberg aufgewachsen und durch Zufall wieder an den Ort zurückgekommen, als das Gasthaus „Zur Burg“ zum Verkauf stand, das sie seit meiner Kindheit kannte. „Vieles entsteht aus einer Vision und der Realität des Tuns, ohne große Konzepte, dafür mit den Erfahrungen des bisherigen beruflichen Lebens. Ich habe alles aussortiert, was ich nicht mehr wollte. Dadurch hat sich herauskristallisiert, was zu mir passt und ich habe mich auf das konzentriert, was wesentlich ist“, sagt Eva Heß und die Bodenständigkeit und Klarheit, mit der sie spricht, füllt den Raum. Die „Chocolaterie“ in den historischen Räumen wurde ein Erfolg. In alten Regalen, Bonbonnieren, Schütten und auf Holztischen liegen allerfeinste Schokoladespezialitäten, hausgemachte Trüffel, raffinierte Konfitüren und erlesene Tafeln von Schokolade - liebevoll verpackt - ein Traum! In den Sommermonaten werden Konfitüren aus dem eigenen Garten gemacht und vor Advent- und Weihnachten gibt es viel zu tun, wie es in „Engelsküchen“ um diese Jahreszeit üblich ist. Dazu kommt die seit Jahren regelmäßige Sendung bei SWR4 im Kurpfalzradio, in der Eva Heß an jedem ersten Montag im Monat in „Schokoplausch“ über Schokolade und Rezepte redet. Während sie davon erzählt, will ihr Sohn Paul mir etwas zeigen. Er tut es ohne zu fragen, ohne zu taxieren, entscheidend ist Vertrauen, und schnell sind wir bei dem Wort Unschuld. „Unschuld bedeutet für mich etwas ohne Berechnung und Unvoreingenommenheit zu tun. So etwas gelingt nur kleinen Kindern. Die Kommunikation unter Erwachsenen ist von Angst bestimmt. Die Angst, etwas zu verlieren, sich eine Blöße zu geben, sich zu öffnen, etwas zu versäumen oder falsch zumachen. Aber unsere größte Angst ist nicht beachtet und nicht geliebt zu werden. Woher das kommt, warum so wenig Vertrauen da ist?“ Für Eva Heß ist die Treue zu sich selbst wichtig, die Fähigkeit, zu sich zu stehen, stolz zu sein, und sich selbst zu lieben. „Das ist die Grundlage allen Handels und nur aus dieser Sicherheit heraus kann ich anderen etwas geben. Oft kostet es nichts, wie ein Lächeln, ein Kompliment oder ein verständnisvolles Wort, gleichzeitig aber auch der Mut, den eigenen Weg zu gehen. Vorsätze bleiben nicht stehen, sind immer in Bewegung, verändern sich. Kompromisse gehören dazu und sind notwendig, aber wenn ich mich dabei wohlfühle und sie in ihrer Qualität stehen lassen kann, bedeutet das Reife und Gelassenheit!“ Man spürt diese Kraft, kann sich gut vorstellen, wie Eva Heß Schokolade veredelt, aus der Trüffelpralinen gemacht und Tafeln gegossen werden und jedesmal dabei ist, „die Geheimnisse der Schokolade“ zu ergründen. „Ich habe einen Ort gefunden und dazu gehört meine Familie und mein Mann. Wir passen gut zusammen, unterstützen uns, sind handwerklich sehr geschickt und bodenständig. Obwohl wir in völlig unterschiedlichen Berufen arbeiten, sprechen wir viel zusammen, tauschen uns aus und verstummen nicht. Ja, wir sprechen sehr viel und das ist das Wichtigste. Aber damit es gelingt, muss in einem selbst alles stimmen.“ Es ist viel zu tun, das Weihnachtsgeschäft steht vor der Tür. Und doch hält Eva Heß noch einmal inne, um daran zu erinnern, dass man sich trotz Arbeit nicht außer Acht lassen darf und seine Grenzen erkennt. Auch das gehört dazu, auch zu ihr, an die Grenzen zu kommen- aber trotzdem weiterzumachen.

Lisa Wieser
Journalismus & Photographie
69181 Leimen, Turmgasse 18